Achtung! Dieser Artikel enthält 5% Bäckervergleiche.
Taxifahren zum Festpreis? Billiger als zum Taxitarif? In dem meisten Städten und Landkreisen in Deutschland ist das illegal. Gemacht wird es trotzdem immer wieder – und zwar mit folgenden total schlüssigen Begründungen. Zur Erklärung sind vergleichbare Anliegen in der Kundenbeziehung zwischen Bäcker und Brotkäufer angefügt. Diese sind im Einzelfall nicht 100%ig identisch, aber wenigstens völlig legal. Eine Möglichkeit, sich das Geld fürs Taxi zusammenzusparen?
Kommen wir zu den Begründungen, warum ich den Kunden teilweise bis zu 50% des Fahrpreises erlassen soll:
1. Du fährst doch eh in die Richtung!
(Das Brot ist doch eh schon gebacken!)
Ja, zugegeben: Es würde mir keine direkten Mehrkosten verursachen, einen Kunden mal so mitzunehmen. Zwei Gegenargumente gibt es dennoch: Zum einen wäre ich dann besetzt und müsste (den Normalpreis be-) zahlende Kundschaft ggf. stehenlassen. Zum anderen bin ich nicht zufällig vor Ort. Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, zu gewissen Zeiten an gewissen Orten zu sein und diese Leistung ist in dem Moment schon erbracht. Das muss nicht immer viel sein, vielleicht bin ich nach dem letzten Kunden nur einmal ums Eck gefahren – aber diese Schwankungen des Arbeitsaufwandes pro Kunden sind normal. Dafür können wir am nächsten Tag 10 Kilometer Anfahrt für eine Fahrt in Kauf nehmen…
2. Aber letzte Woche hab ich das auch gemacht…
(Ich hab letzte Woche in der Bäckerei gegenüber aber Brötchen gefunden, die eigentlich…)
Ob etwas in Ordnung oder machbar ist, richtet sich (manchmal durchaus leider!) nicht danach, was irgendwann irgendwo mal irgendwie geklappt hat. Nur weil ein Kollege das Gesetz bricht, bin ich nicht auch dazu verpflichtet.
3. Fährste halt ohne Uhr. Der Chef merkt das nicht, dann haste sogar mehr davon!
(Back halt ein paar Brötchen nach, dann fällt das nicht auf!)
Vielleicht geht das im Trubel tatsächlich mal unter. Aber das geht einfach nicht dauernd. Vom moralischen Dilemma mal ganz abgesehen: Bei 100 Kilometern mehr oder bei 20 Kilogramm Mehl wird es dann eben doch auffällig. Denn die Kosten entstehen trotzdem, die Einnahmen entgehen uns ebenso in Realität und das Spielchen lässt sich nirgends ewig spielen.
4. Wenn du mich fährst, haste wenigstens was. Mehr verdienste so jetzt auch nicht…
(Den Kuchen kauft doch jetzt niemand mehr, ist schon 14 Uhr. Lieber halber Preis als gar kein Geld!)
Ja, aber wenn es schon so schlecht läuft, dann warte ich doch lieber auf eine richtige Tour, die mir vernünftige Umsätze beschert! Es ist ein Glückspiel für uns, das ist wahr. Aber nicht ohne Grund darf ich eine kurze Fahrt nicht ablehnen, nur weil ich auf eine lange Tour hoffe. Es läuft mal so und mal so – und vor allem: Es weiß keiner. Ja, vielleicht hat man durch so eine Tour wirklich mehr Geld am Ende. Vielleicht aber auch erheblich weniger. Ein Argument ist das nicht wirklich.
5. Aber ich bin doch nur armer Student…
(Aber ich bin doch nur armer Student…)
Ja, traurig. Und nichts gegen eine Erhöhnung des BaFöG, mehr Kindergeld usw. usf. Weswegen ich als armer Taxifahrer jetzt mein Einkommen deswegen schmälern soll, entzieht sich mir. Ich geb gerne was an Bedürftige ab, aber an manchen Stellen kann nicht groß gespart werden. Hey, dafür ist die Monatskarte für die BVG günstiger als meine und vielleicht gibt es beim Bäcker ja doch das Mittagsmenü zum Schülerpreis mit Studentenausweis. Und was zur Hölle machen wir, wenn ich nebenher studieren sollte?
6. Der Abend war schon so teuer, der Eintritt und der Alk – ich hab nur noch 10 Euro!
(Sorry, ich hab beim Metzger und im Supermarkt so viel eingekauft, kann ich die Brötchen billiger haben?)
Nö, zahl mir den Zwanni und zieh‘ es deinem Vermieter von der Miete ab!
7. Wenn du mich nicht für 10 fährst, nehm‘ ich einen anderen!
(Dann geh ich halt zum Bäcker um die Ecke!)
Das ist jetzt sicher nicht schön für uns. Aber mal ehrlich: Da kommt eine Anfrage nach einer Tour für 50 – 75% des Normalpreises. Laut meinem Chef bleiben am Ende des Monats rund 5 – 10 % Gewinn übrig bei einem Taxiunternehmen. Irgendwas sagt mir, dass ich auf den Kollegen kein bisschen neidisch sein sollte…
8. Mach mal billiger, weil wenn ich die Bahn nehme, kostet die auch nur 2,30 €!
(Warum soll ich für ein Käsebrötchen so viel zahlen? Ohne Käse kostet das nur 30 Cent?)
Muss ich das eigentlich ernst nehmen? Aber gut: Wir fahren dann in einer halben Stunde los, solange wartest du draußen. Dann nehmen wir noch diese 5 Typen nach Wannsee mit und ich lasse dich in anderthalb Stunden 1,2 km von deiner Haustüre entfernt raus. Deal? Man muss den Mehrwert einer Taxifahrt nicht schätzen. Ich fahre selbst oft genug Straßenbahn in Berlin. Aber Taxifahren ist ein Gesamtpaket. Da kann man nicht mal eben ein paar Dinge außen vorlassen. Wenn man keinen Fahrer braucht, ist Carsharing oder ein Mietwagen eine Lösung. Scheißt man auf Komfort, tut es ein Fahrrad. Hat man Zeit und ist noch fit, kommt man mit der Bahn fast überall hin. Kurze Strecken kann man laufen und der beste Kumpel trägt einen vielleicht umsonst sogar ein paar Meter. Aber gerade weil es das alles gibt, ist es doch nicht meine Aufgabe als Taxifahrer, alles anders zu machen…
Abschließende Worte
Ich weiß, dass das Gejammer über Festpreise bei vielen Taxikunden auf taube Ohren stößt. Und dass die Bäckervergleiche nicht immer zu 100% passen 😉
Aber es ist für mich als Nachtfahrer wirklich ein ständiges Ärgernis. Keine Nacht, in der ich nicht wenigstens eine Anfrage hätte! Taxifahren ist teuer, ja. Ein Teil der Kosten und ein Teil der Arbeit bleibt für Kunden dabei meist unsichtbar – aber das ist wie in jeder anderen Branche. Der Weizen und ein bisschen Strom für den Ofen lassen ein Brötchen auch keine 50 Cent kosten. Genausowenig wie Benzin für 5 Kilometer und ein Fahrerlohn für 10 Minuten eine Taxifahrt 11 € kosten lassen. Es hat sich eingebürgert, im Taxi zu handeln, ok finde ich das kein bisschen. Wir sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs und unser Tarif wird alle paar Jahre aufs Neue mit der Stadt ausgehandelt. Meines Erachtens nach wird dabei auch mal zu viel draufgeschlagen, aber letztlich sind die jammernden Berichte der Fahrer, die kaum von dem Geld leben können, nicht erfunden. Der Bäcker kann viel freier und spontaner seine Preise anpassen oder Produkte die sich nicht lohnen wieder vom Markt nehmen. Wir können das nicht. Wir dürfen das nicht! Ich darf mir die Preise nicht aussuchen, rein rechtlich nicht einmal die Kundschaft.
Die Tarifbindung ist nicht immer schön – auch für uns Fahrer nicht. Wo es hinführt, wenn man sie nicht beachtet, kann man in Ansätzen auch hier sehen: Natürlich sind es dieselben Fahrer, die einerseits mal für 5 € schwarz ein paar Kilometer weiter fahren und am anderen Ende der Stadt einem Touristen 20 € für eine Zehner-Tour aus der Tasche ziehen! Anders lohnt es sich für die nämlich auch nicht. Ich bevorzuge da lieber faire und transparente Preise für alle – auch wenn das im Einzelfall mal ärgerlich sein kann.
