Eine eindeutige Antwort fällt mir schwer, denn natürlich gibt es auch hier positive und negative Seiten. Auf der einen Seite ist es irgendwie von Vorteil, NUR nachts zu arbeiten. Denn erstens gewöhnt man sich schneller einen gewissen Rhytmus an, zweitens sind beim Taxifahren die Bedingungen radikal anders. Tagsüber ist es häufiger, dass die Leute zu den Bahnhöfen, in die Krankenhäuser, zu den Flughäfen und in die Tagungsstätten wollen. Nachts dominieren die Privatwohnungen und Clubs. Hotels dagegen gehen wahrscheinlich gleichermaßen gut…
Als Fahrer muss ich natürlich erwähnen, dass der Verkehr nachts um einiges angenehmer ist. Auch wenn Berlin den Ruf hat, rund um die Uhr Party zu bieten: Man muss auch wissen, wo! Unter der Woche nachts um 2 Uhr ist auf dem Ku’damm nämlich so ziemlich kein einziger Mensch mehr anzutreffen. Das mag Hoffnungen zerstören, ist aber so.
Der zweitwichtigste Punkt auf der Liste ist sicher das Geld. Nachtfahrer verdienen mehr! Ob das heisst, dass sie mehr Touren machen, kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich kenne schließlich bisher fast nur Nachtfahrer, und mein Kollege H., der mit unserem Auto die Tagschicht fährt, fährt um Längen mehr ein als ich. Laut meinen Chefs ist er aber auch einer der besten… Nein, der für mich erstmal wichtigste Vorteil diesbezüglich ist, dass ich einen Teil meines Lohns wegen der Nachtarbeit in Form steuerbefreiter Zuschläge bekomme, was meine Steuerbelastung erheblich senkt, und ich somit in den Genuss höherer Nettozahlungen bei gleichem Bruttogehalt komme. Das ist für selbstständige Fahrer wohl eher egal…
Das wichtigste aber ist natürlich die Zeiteinteilung, der Rhytmus, das Leben als solches:
Mein Leben ist halt quasi auf den Kopf gestellt. Das alleine macht nicht viel aus. Wenn man gut ist, dann schafft man es sicher, einfach Schlaf- und Arbeitszeit im Vergleich zu Otto Normalbürger zu tauschen, und es ändert sich nicht viel. Dadurch, dass ich aber länger arbeite, als ich schlafe, ergeben sich hier natürlich Differenzen. Insbesondere in meiner Beziehung – die zu führen ich das Glück habe.
Mein Tag sieht momentan (unter der Woche, an nicht-freien Tagen) wie folgt aus:
- 15 – 17 Uhr: Ich stehe auf.
- bis 18.15 Uhr: Leben in Form von Hausarbeit, Freundin sehen, Bloggen, Zeit für mich.
- 19.15 Uhr: Ich gehe aus dem Haus und fahre zum Auto.
- 20.00 Uhr: Ich fahre los…
- 06.00 Uhr: Ich stelle das Auto nach der Schicht ab.
- 07.00 Uhr: Ich komme zuhause an.
- bis 8.00/10.00 Uhr: Leben
- 08 – 10 Uhr: Ich gehe schlafen…
Das entspricht natürlich nie dem Tagesablauf von Ozie, wenngleich sie ja auch wechselnde Schichten hat (aber nie über Mitternacht hinweg). Das macht die Sache schwer. Es kommt einfach vor, dass man sich (was auch selten ist) an einem Tag nur für eine halbe Stunde sieht.
Ansonsten ist das für mich kein Problem. Ich habe mir schon vor diesem Job eher die Nächte als die Tage um die Ohren geschlagen, und manchmal glaube ich, dass diese Studien mit dem „Wer weniger Tageslicht abbekommt, bekommt Depressionen“ bei mir ins Leere laufen würden.
Ich finde es irgendwie sogar geil, einen völlig anderen Rhytmus zu haben. Es ist eben schön, beim Feierabend die Leute zu sehen, die missmutig zur Arbeit fahren. Es ist geil, die Stadt in einem anderen Licht zu sehen und mitzubekommen, wo auch um 5 Uhr morgens noch was los ist.
Ich war immer ein Freund der Subkulturen, und es ist mir – bei allen potenziellen Störenfrieden – immer noch lieber, besoffene Spätheimkehrer nach Hause zu fahren, als gestresste Geschäftsmänner zum Flughafen.
So ist das Fazit aus meiner Sicht ein eher versöhnliches: Ich finde Nachtschicht hervorragend, und wenn ich meine Freundin befrage, dann nervt sie auch eher, dass sie nicht die Option hat, zur selben Zeit zu arbeiten.
Wenn es nach mir alleine geht, dann mache ich das noch möglichst lange. Meine Freunde werden mich schon warnen, wenn ich zu depressiv werde 😉
PS: Mir ist natürlich dennoch bewusst, dass Nachtschicht beschissen ist für Familienväter und andere wenig flexible Menschen. Das ist meine persönliche Einschätzung zu meiner persönlichen Situation. Ich kann deswegen dennoch alles Geschimpfe über die Nachtschicht verstehen. Vielleicht sogar besser, als Menschen mit „normaler“ Arbeitszeit.