Nachtschicht – eine Abrechnung nach nur 2 Monaten

Nachtschicht! Für die einen verheißungsvoll, für die anderen der pure Horror. Meine Arbeitszeiten sind ein Thema, auf das ich auch mit meinen Fahrgästen schnell mal komme („Wie lange müssen sie denn heute noch?“). Nun, wie sieht es also aus? Wie ist es so, nur Nachts zu arbeiten?
Eine eindeutige Antwort fällt mir schwer, denn natürlich gibt es auch hier positive und negative Seiten. Auf der einen Seite ist es irgendwie von Vorteil, NUR nachts zu arbeiten. Denn erstens gewöhnt man sich schneller einen gewissen Rhytmus an, zweitens sind beim Taxifahren die Bedingungen radikal anders. Tagsüber ist es häufiger, dass die Leute zu den Bahnhöfen, in die Krankenhäuser, zu den Flughäfen und in die Tagungsstätten wollen. Nachts dominieren die Privatwohnungen und Clubs. Hotels dagegen gehen wahrscheinlich gleichermaßen gut…
Als Fahrer muss ich natürlich erwähnen, dass der Verkehr nachts um einiges angenehmer ist. Auch wenn Berlin den Ruf hat, rund um die Uhr Party zu bieten: Man muss auch wissen, wo! Unter der Woche nachts um 2 Uhr ist auf dem Ku’damm nämlich so ziemlich kein einziger Mensch mehr anzutreffen. Das mag Hoffnungen zerstören, ist aber so.
Der zweitwichtigste Punkt auf der Liste ist sicher das Geld. Nachtfahrer verdienen mehr! Ob das heisst, dass sie mehr Touren machen, kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich kenne schließlich bisher fast nur Nachtfahrer, und mein Kollege H., der mit unserem Auto die Tagschicht fährt, fährt um Längen mehr ein als ich. Laut meinen Chefs ist er aber auch einer der besten… Nein, der für mich erstmal wichtigste Vorteil diesbezüglich ist, dass ich einen Teil meines Lohns wegen der Nachtarbeit in Form steuerbefreiter Zuschläge bekomme, was meine Steuerbelastung erheblich senkt, und ich somit in den Genuss höherer Nettozahlungen bei gleichem Bruttogehalt komme. Das ist für selbstständige Fahrer wohl eher egal…
Das wichtigste aber ist natürlich die Zeiteinteilung, der Rhytmus, das Leben als solches:
Mein Leben ist halt quasi auf den Kopf gestellt. Das alleine macht nicht viel aus. Wenn man gut ist, dann schafft man es sicher, einfach Schlaf- und Arbeitszeit im Vergleich zu Otto Normalbürger zu tauschen, und es ändert sich nicht viel. Dadurch, dass ich aber länger arbeite, als ich schlafe, ergeben sich hier natürlich Differenzen. Insbesondere in meiner Beziehung – die zu führen ich das Glück habe.
Mein Tag sieht momentan (unter der Woche, an nicht-freien Tagen) wie folgt aus:

  • 15 – 17 Uhr: Ich stehe auf.
  • bis 18.15 Uhr: Leben in Form von Hausarbeit, Freundin sehen, Bloggen, Zeit für mich.
  • 19.15 Uhr: Ich gehe aus dem Haus und fahre zum Auto.
  • 20.00 Uhr: Ich fahre los…
  • 06.00 Uhr: Ich stelle das Auto nach der Schicht ab.
  • 07.00 Uhr: Ich komme zuhause an.
  • bis 8.00/10.00 Uhr: Leben
  • 08 – 10 Uhr: Ich gehe schlafen…

Das entspricht natürlich nie dem Tagesablauf von Ozie, wenngleich sie ja auch wechselnde Schichten hat (aber nie über Mitternacht hinweg). Das macht die Sache schwer. Es kommt einfach vor, dass man sich (was auch selten ist) an einem Tag nur für eine halbe Stunde sieht.
Ansonsten ist das für mich kein Problem. Ich habe mir schon vor diesem Job eher die Nächte als die Tage um die Ohren geschlagen, und manchmal glaube ich, dass diese Studien mit dem „Wer weniger Tageslicht abbekommt, bekommt Depressionen“ bei mir ins Leere laufen würden.
Ich finde es irgendwie sogar geil, einen völlig anderen Rhytmus zu haben. Es ist eben schön, beim Feierabend die Leute zu sehen, die missmutig zur Arbeit fahren. Es ist geil, die Stadt in einem anderen Licht zu sehen und mitzubekommen, wo auch um 5 Uhr morgens noch was los ist.
Ich war immer ein Freund der Subkulturen, und es ist mir – bei allen potenziellen Störenfrieden – immer noch lieber, besoffene Spätheimkehrer nach Hause zu fahren, als gestresste Geschäftsmänner zum Flughafen.
So ist das Fazit aus meiner Sicht ein eher versöhnliches: Ich finde Nachtschicht hervorragend, und wenn ich meine Freundin befrage, dann nervt sie auch eher, dass sie nicht die Option hat, zur selben Zeit zu arbeiten.
Wenn es nach mir alleine geht, dann mache ich das noch möglichst lange. Meine Freunde werden mich schon warnen, wenn ich zu depressiv werde 😉

PS: Mir ist natürlich dennoch bewusst, dass Nachtschicht beschissen ist für Familienväter und andere wenig flexible Menschen. Das ist meine persönliche Einschätzung zu meiner persönlichen Situation. Ich kann deswegen dennoch alles Geschimpfe über die Nachtschicht verstehen. Vielleicht sogar besser, als Menschen mit „normaler“ Arbeitszeit.

Kollegenschwein

Bei Taxifahrern ist es wahrscheinlich wie bei anderen Berufsgruppen auch: Es gibt einen gewissen Zusammenhalt in der „Szene“, man duzt sich untereinander, und man ist um Rat und Tat nicht verlegen, wenn es darum geht, einem Kollegen zu helfen. Man sitzt im gleichen Boot. Ich finde diese Einstellung grundsätzlich gut – mir als Neuling bringt sie natürlich viele Vorteile, wie Tipps und Ratschläge – aber es läge mir auch fern, eine bedingungslose Solidarität zu beschwören. Denn schließlich gibt es auch unter den Fahrern solche und solche.
In den Richtlinien meiner Funkgesellschaft steht beispielsweise, man solle andere Fahrer freundschaftlich als Kollegen, und nicht als lästige Konkurrenten begreifen. So ausgedrückt kann ich das unterschreiben, und wenngleich ich manchmal angepisst davon war, dass nur eine rote Ampel verhindert hat, dass ich statt meines Kollegen nun eine Tour hatte, so habe ich diese Einstellung auch. Ich bin nicht neidisch auf meine Kollegen, wenn sie Glück haben, denn ich hoffe, dass sie es auch nicht sind, wenn es mal umgekehrt ist.
Aber genug des pathetischen Geschwurbels! Ich wollte eigentlich etwas konkretes berichten, über das ich mich wahnsinnig aufgeregt habe. Gestern hat mir der Kollege S. beim Warten erzählt, dass ein Kollege ihn gefragt habe, ob er ihm mal einen Zehner in zwei Fünfer wechseln kann. Ja, das liebe Wechselgeld…
Und? Was ist passiert? Mein Kollege hat sich einen falschen Schein andrehen lassen. Dass es dieser war, weiss er auch nur deswegen, weil die Fälschung echt mies ist, und er zudem mit Fahrgästen – eigentlich logisch – nur bei Licht die finanziellen Fragen klärt. Und ein kritischer Beobachter ist. Aber er hat halt nicht dran gedacht, weil es nur ein Kollege war…
Natürlich kann das theoretisch ein Zufall gewesen sein – aber schon ein großer! Insofern gehe ich in diesem Fall von Absicht aus – und das finde ich widerlich! Richtig widerlich!
Naja, und wie es natürlich so ist: Mein Kollege kannte den anderen nicht (bei 7000 Taxen in Berlin kein Wunder), es war ein Mercedes, aber die Nummer?
Naja, werde ich bei solchen Anfragen also auch die Augen offen halten… Mistrauen! Überwachung! Panik! Ist echt ätzend, sowas!

Leute, die man sonst nicht kennenlernen würde (1)

Hab heute früh übrigens einen Rentner gefahren, der Komparse beim neuen Tarantino-Film ist. Der spielt da nen Nazigeneral. Das macht der seit Jahren als Hobby und freut sich – weil andere für ihr Hobby Geld bezahlen, und er sogar noch welches kriegt. Auch schön! War zudem die längste Fahrt des Abends.

Tour nach Absurdistan

Ich hatte heute früh zwei Mädels an Bord, deren Fitness-Zenit am gestrigen Abend schon weit überschritten war. Eine der beiden konnte immerhin noch klare Gedanken fassen, bei der anderen… naja, immerhin hat sie noch geredet. Eine gewisse Brisanz lag im Fahrtziel, da sie so ungefähr den Namen des Hotels und dafür dreimal gar nicht die Adresse desselben kannten. Nun habe ich etwa zwei Stunden zuvor ein paar Leute in ein Hotel mit „so ungefähr dem Namen“ vom Matrix in die Bülowstr. gefahren und hab gefragt, ob es das sein könne. Dann haben sie irgendwas von „Yorckstr., da sind wir mal in die U-Bahn gestiegen…“ gesagt – und da schien die Sache klar zu sein, denn der U-Bahnhof liegt da ums Eck. Also wollten die Beiden, dass ich sie dahinbringe.
Ich konnte sie immerhin beruhigen, dass die Fahrt ziemlich genau 15 € kosten würde (ich bin sie ja schonmal gefahren), und ihr Geld somit reicht. Nun war das aber leider das falsche Hotel…
Als wir dann dastanden, war das Geschrei groß. Mit Tränen in den Augen haben sie dann quasi verkündet, auf der Straße zu schlafen, und überhaupt und sowieso. Dann kamen sie – warum nicht früher? – auf die Idee: „Mensch, wir sind doch mit unserer Klasse hier in Berlin, wir können doch jemanden anrufen, wo das Hotel ist…“
Der Versuch war dann sogar von Erfolg gekrönt, und so erfuhr ich, dass es am Tempelhofer Ufer liegt. Naja, da hatte ich ja Glück, dass ich so eine lange Tour hatte – zum Ufer wäre es schätzungsweise einen Fünfer billiger geworden. Da ich eh nochmal zum Matrix zurückwollte, bzw. am Schichtende sowieso zum Waschen und Abstellen in den Osten musste, hab ich dann angesichts der mauen Finanzen gesagt, ich fahr sie da noch kurz vorbei. Liegt eh auf dem Weg. Wie gesagt: Ich hatte so oder so mehr von der Tour, als wenn wir direkt gefahren wären, ein wenig war es natürlich auch mein Fehler, und zudem stand es bei mir mit den Kilometern nicht schlecht, so dass das ging.
Nun schlug die Laune wieder in Begeisterung um, und zu guter Letzt war ich fünf Minuten damit beschäftigt, der jungen Dame auf der Rückbank klarzumachen, dass ich NICHT das Bett für sie machen werde – auch nicht gegen die großzügige Entlohnung von 50 Cent! Die wollte am Ende echt nicht aussteigen, weil sie der Meinung war, das wäre jetzt meine Aufgabe.

Sprüche von der Tour:

„Ich hab jetzt des Dings umgedingst, ist des schlimm?“

„Ich hab meine Schuhe ausgezogen, des macht nix, oder?“

Naja, ich bin heil angekommen, und die Schicht war einfach klasse. Da war das echt ein würdiger Abschluss. Mal ganz im Ernst: Betrunkene fahren ist nicht so schlimm, wie es sich die meisten vorstellen…

Mieses Arschloch!

Und für sowas geht mein Ruf flöten!
Erzählt mir am Ostbahnhof mein Kollege T. gestern von einem Kunden, den er von dort bis fast nach Reinickendorf mitgenommen hat. Der hat ihn gefragt, wie viel die Fahrt kosten würde, und mein Kollege hat – ähnlich wie ich es tun würde – gesagt, er weiss es nicht genau, aber 25 € sollte er auf jeden Fall einplanen. Der Fahrgast hat ihm dann erzählt, dass der letzte Fahrer ohne Uhr gefahren ist – für 75 €.
Ich finde es wirklich erbärmlich, dass der Fahrer es ernstlich für nötig erachtet hat, bei so einer an sich schon großartigen Tour (Erinnerung: Der Durchschnitt liegt bei 10,70 €) derart bescheissen zu müssen.
Ich kann echt (schon alleine um mir Stress zu ersparen) nur immer wieder wiederholen: Fragt besser erst gar nicht nach Festpreisen. Als unbedarfter Fahrgast vertut man sich da sowieso – fast alle meine Kunden sind am Ende überrascht, wie „wenig“ eine Fahrt nach Taxameter kostet. Und freiwillig wird eh kaum ein Fahrer einen Festpreis unter dem Tarif anbieten. Also: Was bringt es? Mal ganz abgesehen davon, dass wir keine Festpreise machen DÜRFEN!

Simply the Best (6)

Hier noch einmal Sashs eigene Rekorde beim Taxifahren. Der / die Neue(n) sind fett gedruckt.

Geld:

  • Höchster Umsatz pro Schicht: 211,00 €
  • Höchster Umsatz pro Tour (ohne Trinkgeld): 28,90 €
  • Höchstes Trinkgeld pro Tour: 7,90 €
  • Originellstes Trinkgeld: 4,90 € + 2 Flaschen Prosecco
  • Höchstes Trinkgeld pro Schicht: 27,30 €
  • Höchste Einnahmen pro Tour (inkl. Trinkgeld): 35,00 €

Touren:

  • Die meisten Touren pro Schicht: 23

Strecke:

  • Die längste Strecke pro Schicht: 188,0 km
  • Die kürzeste Strecke pro Tour: ca. 300 m
  • Die längste Strecke pro Tour: ca. 19,0 km

Zeit:

  • Die längste Schicht (Pausen nicht eingerechnet): 11:30 Std.
  • Die längste Standzeit: 1:15 Std.
  • Die längste Wartezeit mit laufender Uhr (eine Tour): 0:25 Stunden

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wie eine Rettung aussehen kann…

Es war heute morgen, 4 Uhr etwa. Eine Stunde noch, dann wollte ich das Auto waschen gehen. Auf meiner Uhr standen extrem magere 64,60 €. Nach acht Stunden Arbeit. Dadurch, dass es so wenige Touren waren, lag das Trinkgeld mit 5,10 € auch noch im untersten Bereich (ab 10 € aufwärts pro Tag ist ok).
Ich stand vor dem Watergate und hab mir gedacht: „Hoffentlich reicht das noch für zwei Touren. 80 € sollten am Ende ja schon als Minimum drin sein…“
Dann kam er raus: Ich hätte ihn nur knapp älter geschätzt als mich, und er setzte den Trend fort, nach dem alle an diesem Abend im Watergate überdimensionierte Brillen trugen. Er war schon etwas fertig, wollte in die Schönhauser Allee, nördlich der Danziger. Eine Tour, die in Ordnung ist. Irgendwas zwischen 10 und 14 €, ich sollte meinem Ziel also näher kommen. Zwischendrin wollte er noch bei nem FastFood-Schuppen anhalten. Der Mac am Frankfurter Tor schien irgendwie verlassen, also hat er gemeint, könnten wir den am S-Bahnhof Schönhauser Str. nehmen – ein paar hundert Meter Umweg inklusive.
Soweit, so gut. Mitten auf der Danziger bat er mich dann anzuhalten, weil er gegenüber noch etwas holen wolle. Hat sich um irgendein Erotik-Etablissement gehandelt, ist ja auch egal. Er hat mir als Pfand einen Fünfzig-Euro-Schein gegeben und gemeint, ich solle warten. Warum nicht? Die Uhr läuft…
Nach etwa 20 Minuten (also zwei Zigaretten später) kam er dann wieder raus und wir haben die Fahrt fortgesetzt. Vor dem McDonalds in der Schönhauser durfte ich auch nochmal 5 Minuten warten, und so sind wir am Ende bei 27,10 € gelandet. Damit hatte ich halbwegs akzeptable 90 € in der Kasse. Dann meinte er noch: „Mach mal 35!“
Meine ernstliche Begeisterung kommentierte er mit: „Ist nur fair. Wenn dich schon so’n Vollidiot den ganzen Abend aufhält…“
Das war dann auch die letzte Tour für den Tag. Ich habe also 40 Minuten gearbeitet, davon 25 Minuten bequem rumstehen können und eine Kippe rauchen, das ganze für 27 € Umsatz und 8 € Trinkgeld. Können mich nicht jeden Abend ein paar solcher Vollidioten „aufhalten“? 😉